Heimat- und Museumsverein Zwenkau und Umgebung e.V.

Mausezwenke

Der "Fall Mausezwenke"

Als wir 2004 nach Zwenkau kamen, um mit unserem Bau zu beginnen, warnte unser Nachbar: "Lass dein Werkzeug nicht so offen herumliegen, du bist jetzt in Mausezwenke!"
Wie ernst war das gemeint – und wie kommt eine Stadt zu so einem Spitznamen? Woher "Zwibbel – Borne", "Latschen – Greetzsch" oder "Ruß – Chemnitz" stammen, ist leicht zu erklären.
Dass der "Fall" Mausezwenke doch vielschichtiger ist, wurde mir erst klar, als mir im Heimatverein das im Jahr 2000 veröffentlichte Heimatblatt Nr. 5 bekannt wurde.

Entstand der Name bereits vor 1000 Jahren, als die Rüstung des "roten" Konrad abhanden kam, um 1600 wegen mehrfacher schlimmer Mäuseplage auf den Feldern, wegen des Räubers Lips Tulian, der hier sein Unwesen trieb, um 1700 wegen der Maut, die hier kassiert wurde oder hängt das mit dem "Diebesgrund" zusammen, wo vor 200 Jahren Kaufleute auf dem Weg nach Leipzig überfallen wurden?

Diese und noch weitere Episoden hat der Zwenkauer Ortschronist Dietrich Wünschmann zusammengetragen. Hier nun einige Auszüge, ausgewählt von R. Löscher:
Die Rüstung des "roten" Konrad

Man schreibt das Jahr 955. Der deutsche König Otto I. (später "der Große" genannt) muss sich seit langem der Ungarn erwehren, die immer wieder ins Reich einfallen und ihm gehörig zu schaffen machen.

Im Vasallen (Lehnsmann) Suchawitz (Iat. Cuchavicius) aus Zvenkova im Slawengau Chutizi (Scutici bzw. Schkeuditz) hat Otto einen treuen Gefolgsmann. Der Wendenfürst ist mit seinen Kriegern dabei, als am Laurentiustag (dem 10.August) die Heerscharen auf dem großen Lechfelde bei Augsburg aufeinanderprallen. Sie riskieren (obwohl noch Heiden) für Gott, König und Reich ihr Leben und ... gehören nach blutiger Schlacht zu den Siegern. Dem Heiligen sei Dank!

Eigentlich hat König Otto, der spätere deutsche Kaiser, keine sonderlich guten Karten, denn noch ehe die Schlacht beginnt, scheint sie schon entschieden. Die Ungarn haben nämlich Teile des Reichsheeres umgangen und den Versorgungstross angegriffen. Das sorgt für Panik.

In dieser Situation beweist jedoch einer eiserne Nerven : Herzog Konrad von Lothringen, der "Rote" genannt, Anführer der Franken und ... Eidam (Schwiegersohn) des Königs.

Die Historie vermerkt:
"Tollkühn wirft er sich auf die Feinde, sein Beispiel reißt die andern mit, die siegessicheren Ungarn geraten in die Defensive, werden seIber umzingelt und in die Flucht geschlagen. Doch das Gros des Ungarnheeres hält stand.
Nun liegt alle Verantwortung bei Otto I.. Nach kurzer Ansprache ergreift er die Heilige Lanze und wendet als erster sein Pferd gegen die Magyaren. Deren leichte Reiterei steht angesichts der Angriffswucht der herandonnernden schweren Panzerreiter, die das Beispiel des Roten Konrad beflügelt hat, auf verlorenem Posten. Rot vom Blute färbt sich der Lech.“

Ein entscheidender Sieg ist errungen, wenngleich sehr teuer erkauft. Neben einem großen Teil des Adels ist der eigentliche Sieger gefallen:

"Der Herzog Konrad nämlich, der tapfer gekämpft hatte, empfindet in seinem feurigen Drang und in der Sonnenglut, die an diesem Tag überstark ist, eine unerträgliche Hitze, und als er die Bänder seines Helms löst und Luft schöpft, fällt er, von einem Pfeil durch die Kehle getroffen. Sein Körper wird auf des Königs Befehl aufgebahrt und nach Worms geführt.“

 So beschreibt ein Zeitzeuge - der Mönch Widukind von Corvey - die für den weiteren Fortgang der deutschen Geschichte entscheidende Schlacht.
Nun aber kommen wir zu einigen Details bzw. Vorgängen, die durch Widukind nicht überliefert werden und weitgehend unbekannt sind.

Zu Tausenden bedecken sie das Schlachtfeld : Freund und Feind im Tode vereint. Neben einfachen Kriegern finden sich auch Herren von Adel. Ais sich die Dunkelheit über das Schlachtfeld legt, ist der Leichnam des Herzogs von Lothringen von seinen Getreuen noch nicht aufgefunden worden. So müssen diese wohl oder übel den nächsten Morgen abwarten.
Während im Heerlager feuchtfröhlich der Sieg gefeiert wird, stehlen sich unbemerkt einige Noch-Nüchterne davon. (Wie sich später herausstellt, sind sie wahrend der Schlacht kämpfend in des Roten Konrads Nähe gesehen worden, als dieser todwund vom Pferde stürzte.)
Mühevoll bahnen sich die Männer in der Dunkelheit einen Weg über das weite blutgetränkte Feld, stolpern, fallen über Tote und noch stöhnende Schwerverwundete, Tierkadaver, Waffen.
Die prächtige Rüstung des Fürsten muss ein Vermögen wert sein.

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Ins heimatliche Elsteriand zurückgekehrt, belobigt und belohnt der Wendenfürst Suchawitz sein Gefolge für die Waffentaten. Während ausgelassen gefeiert wird, betrachten Kinder und Frauen die "Helden" mit bewundernden Augen und lassen sich deren Erlebnisse haargenau berichten.

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Wochen und Monate vergehen. Eines Tages erscheint auf Burg Zvenkova an der Batzschke ein königlicher Gesandter, dessen Auftrag es ist, den Dank des hohen Herrschers zu übermitteln ... und die Spur von Leichenfledderern zu verfolgen.

(Man höre :  Als Herzog Konrad nach langem Suchen endlich auf der Kampfstätte gefunden ward, lag er da in der ... Unterwäsche. Seine kostbare Rüstung aber war verschwunden. König Otto zeigte sich ob des dreisten Raubes aufs höchste ergrimmt und forderte die baldige Ergreifung und Bestrafung der Schuldigen.)

Der gewiefte Bote berichtet, wie er eine Fährte verfolgte, die ihn schließlich ins Slawenland führte. Nun ist er in Zvenkova.
Bei Cuchawitz steigt, als er die Kunde von der verwerflichen Tat vernimmt, sprunghaft der Adrenalinspiegel. Sollte das Diebespack gar unter  s e i n e n  Mannen zu suchen sein ??
Undenkbar!
Doch da er ein treuer Diener seines hohen Herrn ist, will er nichts unversucht lassen, um sich Klarheit zu verschaffen.

Jeder der Krieger wäscht indes seine Hände in Unschuld. Keiner weiß etwas . Alle verurteilen wortreich den Raub. Indizien lassen sich nicht finden, zu beweisen ist nichts. So stellt der Edelmann - aufatmend - seine Nachforschungen bald wieder ein. (Was er nicht ahnt : Die Rüstung befindet sich ganz in der Nähe - in einem sicheren Waldversteck. )

Als nach längerer Zeit Gras über die Sache gewachsen scheint, beschließt die ungeduldige "Gang" der Stehler und Hehler, die Rüstung heimlich hervorzuholen und - bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit (fern der Heimat, versteht sich) - zu verhökern . Zuvor plagen sie aber schlimme Ahnungen und des Nachts böse Alpträume - Grund genug, recht vorsichtig zu Werke zu gehen !
Nun muss man aber bedenken, dass auch schon damals geklaute Unikate von hohem Wert nur schwer an den Mann zu bringen waren, besonders, wenn sie in den Rang heiliger Reliquien gelangt waren.
So gesehen, kann es nicht verwundern, wenn sich die Burschen schließlich genötigt sehen, alles auf eine Karte zu setzen und auf die gebotene Vorsicht zu pfeifen.

Es kommt, wie es kommen muss :

Sie werden eines Tages mit den "corpus delicti" aufgegriffen und als Diebe dingfest gemacht.
Alle Ausflüchte und alles Leugnen nutzen ihnen nichts. Die Wogen der Empörung in der Öffentlichkeit schlagen hoch, und jedermann erfährt es : Die "Mistkerle" stammen ... aus Zvencova. Bald kennt man die Namen aller Schuldigen.
Wie steht Suchawitz angesichts der dreisten Ganoven und "Nestbeschmutzer" nun vor seinem hohen Herrn da ! Sein Grimm ist so gewaltig, dass im gerichtlichen Schnellverfahren die Übeltater sofort verurteilt und als Entehrte an den erstbesten Bäumen aufgeknüpft werden. Das überzeugt und honoriert Otto dann auch !

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Jahrzehnte gehen ins Land. Nur zögerlich lassen sich am Elsterrand vor der Harth deutsche Siedler nieder. Noch zeigt man gelegentlich mit Fingern auf die Leute von Zvenkova und ihren in Verruf geratenen Ort. Aber die Zeit heilt schlimmere Wunden ! Da kommt es dem Landesherrn - Bischof Thietmar von Merseburg (der zugleich einer der prominentesten Chronisten des Mittelalters ist) - in den Sinn, die alte Story aufzuschreiben und in seiner Chronik zu veröffentlichen.

Bei ihm hört sich das so an :
Nach langer zeit / als der Keyser nach Merseburg kommen / ist ihm von einen Verrether vermeldet worden / wie des Hertzog Conrads Rüstung bey den Wenden zu Zwencka / derer Herr Suchawitz dem Keyser ein trewer vnd lieber Mann war / ligen sollte / vnd von ihnen verhalten wurd.
Hat sie derhalben mit des gemelten herm Suchawitzs hülffe / in einem sonderen streit erleget / vnd alle hengen lassen / vnd die geraubte Rüstung meistentheils wieder bekommen.
Ich kann aber nicht wissen / ob sie ihn erschlagen / vnd ihm die Rüstung abgezogen / oder ohngefehr dieselbe gefunden haben / vnd sie seines tods vnschüldig gewesen sein.
Jedoch weil sie es haben vertuschen / vnd verbergen wollen / sein sie deßwegen billich getödtet / vnd gestraffet worden.(2)

Für Zvenkova (Zuenkouua) aber nimmt nach dem Erscheinen der "Bischofschronik" das Unheil seinen Lauf :
Dem Ort haftet hinfort als "Diebsnest ein unauslöschlicher Makel an, und seine Bewohner sind - Thietmar sei’s „gedankt" - deutschlandweit für alle Zeiten abgestempelt. Zu dieser Zeit sollen nun auch der Ausdruck "mausen" (d.h. stehlen wie die Mäuse) und der Spottname "Mausezwenke" entstanden sein.

So haben einige "schwarze Schafe" vor langer Zeit den Ruf einer insgesamt ehrenwerten Einwohnerschaft dauerhaft ruiniert!
Die "Geschichte mit der Maus“

Es gibt heute noch manchen Zwenkauer, der beschwören mochte, die Bezeichnung "Mausezwenke" rühre daher, dass die Stadt einst schlimme Mäuseplagen heimgesucht hatten.

Und solche Zeiten gab es auch tatsachlich !

Im Jahre 1700 brachte Johannes Vulpius aus Salsitz bei Meißen eine "Megalurgia Martisburgica" genannte neue Merseburger Chronik heraus, die in ,,24 Capiteln auff das kürtzeste und nützlichste verfasset" ... "Geschichten von uhr-alten Zeiten biß auff das Jahr 1700", so "sich allhier und im Stiffte zugetragen" darbot, „mit großen Mühen zusammen getragen, von Irrthumern gereiniget, mit allerhand unbekanndten verwunderlichen alten und neuen Sachen, so noch niemahls in Druck komen, redlich gebessert und auff vielfältiger Geschichts-Liebhaber Begehren herausgegeben". Darin findet sich nun auch vieles zur Geschichte Zwenkaus und des Stiftsgebietes. Eine ganze Rubrik widmet der Verfasser den "Landplagen (" Von Hayschrecken, Raupen und allerley Ungeziefer").

Anno 1640 großirten die Mäuse in Acker, Garten und Wiesen, die Ratten mancherley Farben, roth, fahl, weiß, mit langen, auch kurtzen Schwäntzen und vermehreten sich gewaltig, also daß manche 11, 12 biß 15 Junge gehabt, solche fraßen das Getraide stückweise ab und verwüsteten auch über Nacht, was des Tages über vorgeschnitten und aufgebunden worden.[. .. ]

Anno 1644 im Herbste streiften die Hayschrecken von Bamberg herauff bis in das Stifft.[. .. ]

Anno 1653 thaten die Mäuse abermahl erschrecklichen Schaden.[. . .]

Anno 1677 geschahe von den vielen Mäusen trefflicher Schade am Getraide.[ ... ] Anno 1696 verderbten die vielen Mäuse die Märseburgischen Felder und fraßen das Getrayde überall sehr ab.

Andere Quellen nennen darüber hinaus auch die Jahre 1570, 1634, 1666, 1678 und 1713 für große Mäuseplagen.

Natürlich waren solche Populationen von Schädlingen keine örtliche Angelegenheit. Die Bezeichnung "Landplage" sagt eigentlich alles !

Somit ist völlig unklar, weshalb die Angelegenheit ausgerechnet an Zwenkau festgemacht werden sollte.

Und noch eines wäre zu bedenken :
Die Mehrzahl von Maus
heißt nun mal nicht "Mause", sondern immer noch - M ä u s e

Von "M ä u s e - Z w e n k e" war indes nie die Rede !!!
Lips Tullian

"Nach der Zeit des dreißigjahrigen Krieges ließ die öffentliche Sicherheit auf der Coburger Straße in der Zwenkauer PfIege viel zu wünschen übrig, namentlich als der freche Räuber Lips Tullian vom Diebesgrunde aus sein unsauberes Handwerk mit der menschenmöglichsten Frechheit trieb."

Wer war dieser Tullian? Eine Phantasiegestalt? Ein Phantom?

Entgegen der Ansicht verschiedener Literaten handelte es sich durchaus um eine reale historische Figur. Allerdings erblickte "Tullian" erst ein Vierteljahrhundert nach Ende des 30jährigen Krieges das Licht der Welt, und seine bemerkenswerte kriminelle Laufbahn begann gar erst nach 1700. Demnach besteht also kein unmittelbarer Zusammenhang mit den Wirren der Nachkriegsjahre !

Elias Erasmus Schonknecht, wie er angeblich mit richtigem Namen hieß, soll der 1675 zu Straßburg geborene Sohn eines Leutnants der fürstlich-lothringischen Truppe und einer Amtmanns-Tochter gewesen sein. Zeitweilig benutzte er auch das Pseudonym Philipp Mengstein und wurde der "Wachtmeister" genannt. (6)

Von klein auf ein Taugenichts (oder Allerweltskerl), läuft er aus der Schule weg und leistet als kaiserlicher Dragoner Kriegsdienste, steigt bis zum Wachtmeister auf, bis er in den Niederlanden mit einem Kameraden in Händel gerät, diesen im Zweikampf verwundet oder gar tötet und flieht.
AIs 27-Jähriger findet er in Prag Kontakt zu einer Diebsbande, die ihn bald zu ihrem Anführer (Deckname Lips Tullian) macht.
Die Truppe von Galgenvögeln zieht hernach auf ihren Beutezügen durch Böhmen, kommt in die Oberlausitz, nach Dresden, streift weiter durch Sachsen und Thüringen und ..... macht auch Station bei Zwenkau. Eines Abends geschieht folgendes :

Bei den Zwenkauer Pfarrersleuten klopft ein wegemüder Reisender an, bittet um ein Abendbrot und Herberge. Da der Ankömmling den Eindruck eines feinen Herrn macht, trägt man keine Bedenken, den vorgebrachten Bitten nachzukommen.
Beim Abendessen erweist sich der Gast als ein weitgereister Mann, der gut zu erzählen und sich wohl zu benehmen weiß. Spät nachts weist man dem Fremden sein Nachtlager an, und am anderen Morgen nimmt der mit Dankesworten seinen Abschied.


Darauf findet der Pfarrer an seinem Tor die Worte geschrieben :

"Hier wird nichts getan. Lips Tullian."


Es bedarf keiner weiteren Erklärung, wer der geheimnisvolle Gast gewesen war. Vermutlich hatte er seine Bande in der Harth versteckt gehalten und wollte unterdessen geeignete Einbruchsobjekte in der Stadt ausspähen. Die Pfarre schien ihm erfolgversprechend.
Allein die liebevolle Aufnahme durch die Gastgeber legte einen Rest von Menschlichkeit in dem durch und durch verderbten Manne frei, und mit dem "Befehl" am Tore hatte er die Kumpane vor den geplanten Gewalttätigkeiten zurückgehalten.
Über sein weiteres Schicksal wird berichtet, er sei in Leipzig gefangen, eingekerkert und gefoltert worden, dort aber ausgebrochen. Danach räubert er allerorten, wird wieder gefangen, in Dresden gefoltert und in Eisen geschmiedet. Wie durch ein Wunder gelingt ihm erneut die Flucht. Er macht das nahe Erzgebirge unsicher, plündert Kirchen, bricht bei Bürgern und Bauern ein, begeht mehrere Morde. Am 19. September 1710 (7) wird er zum dritten Male gefangen, versucht zu fliehen, wird entdeckt und mit Zentnern von Eisen behangen.
Nachdem er seine Schandtaten voller Stolz (!) eingestanden hat, wird er am 8. März 1715 nach mehrjährigem Kerker zusammen mit vier Spießgesellen zu Dresden enthauptet.

Soweit die Überlieferung!

Es ist nun kaum anzunehmen, dass Lips Tullian "Mause-Zwenkes" Ruf begründete, sicher hat er aber auch ein gut Teil zu dessen Festigung beigetragen!
Die in Zwenkau mausen, kommen stets von draußen!!!

Wenn man den Berichten glauben darf, hatte Zwenkaus Umfeld also geradezu magische Anziehungskraft für allerlei lichtscheues Gesindel. Dazu sollen auch übel beleumdete Leute aus dem Dorf Budegast, das nahe dem Diebesgrunde lag, gehört haben.

Allen Spitzbuben gemeinsam war das Bemühen, Kaufleute, die zu den Leipziger Messen zogen, auf ihrer Fahrt ein wenig zu "erleichtern". Ständig gingen darüber Beschwerden bei Sachsens Kurfürsten (den Landesherren) ein.
Man sagt, als für den "starken" August schließlich das Maß voll war, ließ er in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" alle Bewohner vertreiben und den Ort dem Erdboden gleichmachen. Hinfort war Budegast eine wüste Mark. Viele der Vertriebenen sollen nach Zwenkau geflüchtet sein und der Stadt den Schimpfnamen "Mausezwenke" eingebracht haben.
(Zu bedenken wäre allerdings, dass Budegast vermutlich schon im 13./14.Jh. aus ganz anderen Gründen wüst wurde!)
Ja, der Diebesgrund - jener Teil der Elsteraue, der seinen Anfang etwa bei der Pulvermühle nahm und sich nach dem Ort Prödel hin erstreckte - hatte es schon "in sich"!

Kennzeichnend für die Unsicherheit ist auch der Name eines Flurstückes in Prödel "Sieh dich für!" Es liegt in der Nähe des heutigen Transformatorenhäuschens an der bis 1827 benutzten alten Straße, dem jetzigen Kirchweg. Von dem kleinen Bauernhaus, das hier stand, konnte man die tiefer gelegene Straße überblicken. Deshalb wurde es in früherer Zeit als Wachthaus benutzt. Die Wächter riefen den vorüberreisenden Kaufleuten von dort aus zu :

"Sieh dich für! Hie kömmt ein Holz !"

Wie kam es, dass hier so viel unehrliches Volk hauste?
Leipzig soll früher die kleinen Diebe zur Strafe aus der Stadt hinausgejagt und ihnen verboten haben, sie jemals wieder zu betreten. Sie trieben sich dann meist in den Wäldern umher und lebten von Diebstahl und Raub.

Nun verstehen wir vielleicht auch den seit alters her unter den Zwenk'schen kursierenden Spruch "Die in Zwenkau mausen, kommen stets von draußen!!!"

Und die ganz Schlauen wissen zudem, dass die Bezeichnung "Diebesgrund" überhaupt nichts mit Diebereien zu tun hat, sondern von "duba" (Eiche) herrührt. Als "Beleg" gilt auch die Ortsbezeichnung "Deuben" (Dubin). Das "Eichholz" - als südlichster Teil des Auewaldes - reichte noch vor 100 Jahren in Richtung Leipzig bis auf die Höhe der Ortslagen Bösdorf bzw. Prödel heran.

Zwischen Zwenkau und Prödel (Predil) gab es einst tatsächlich mehrere Orte, die aber sicher bereits in vorreformatorischer Zeit Wüstungen waren. Ihre Namen sind z.T. als Flurbezeichnungen überliefert, wie Budigass (Budoghost, Budegast), Harthdorf (Hartdorf), Schlauksdorf (Schlausdorf, Slawßdorf, Schlankisdorf, Slauxdorf ... ), Schmeiditz (Smytzen, Schmerditz, Schmeitz, Smiczin, Schneiditz ... ).
Der "Lügenbaron" lässt grüßen!

oder:

"Eine Maus, die sich retten will, ist nicht wählerisch in den Löchern !" (Sprichwort)

Man muss sich nicht wundern, dass unseren Vorfahren auch die unwahrscheinlichsten Deutungen recht waren, wenn sie nur nichts mit der ihnen unterstellten "Kleptomanie" zu tun hatten!

So behaupteten verschiedene Zwenkauer, der Name rühre vom Rittergute Mausitz her, denn dieses habe ursprünglich zum Amtsbezirk Zwenkau gehört.
(Ziemlich "an den Haaren herbeigezogen" und als Fakt zudem in der älteren Geschichte nicht nachweisbar!)
Doch man konnte es drehen und wenden wie man wollte, alle Ausflüchte endeten im "Abseits". Die Herleitung von "mausen" (stehlen) war und blieb die verbreiteste, ja wurde sachsenweit geradezu sprichwörtlich.

So erzählte man die Geschichte eines Bauern, der einen Schinken von Prödel nach Wiederau bringen und - ob er nun wollte oder nicht - Zwenkau passieren musste. Was also tun?
Er legte den Schinken in seinen Schiebock. Drauf kam ein großes, ihn vollends bedeckendes Brett und obendrein noch ein riesiger Feldstein zum Beschweren.

Was sollte da wohl schief gehen ?

Trotzdem raste er wie von der Tarantel gestochen durch die Stadt. Die Sonne brannte. Ihm troff der Schweiß von der Stirn. Immer schwerer ließ sich der Karren bewegen. Der wackere Mann aber sah zu, dass er aus Zwenkau herauskam. Kaum, dass er das mit hängender Zunge geschafft hatte, hielt er inne, um sich zu vergewissern, dass der Schinken noch an seinem Platz sei.

Doch was musste er da feststellen ?

Sicher, den Schinken hatte er retten können, doch an seinem Schiebock fehlte das Rad. Das hatten ihm die Zwenk'schen mitten im Lauf gemaust !

Ja, es kommt noch besser !

Im Feldzug 1813 ritten Kosaken auf dem Wege von Zeschwitz nach Eythra durch die Stadt.

Der Hetmann ließ in Zeschwitz halten und erklärte ihnen in einer kurzen Ansprache :
"Ihr könnt zwar stehlen wie die Raben, aber jetzt kommen wir nach Zwenkau, und die Leute dort stehlen noch viel gefährlicher und gerissener als ihr. Gegen die könnt ihr nicht an. Also wollen wir die Stadt im gestreckten Galopp und mit zugehaltenen Taschen passieren und uns im Eichholz vergewissern, ob uns etwas fehlt."

Gesagt, getan.

Wie ein Sturmwind ritt man durch die Stadt. Auf dem Stockweg wurde Halt gemacht. "So, Kinder", meinte der Hetmann, "nun untersucht, ob euch was fehlt !"
Und wirklich, sämtliche Hufeisen von sämtlichen Pferden wurden ihnen gestohlen !
Toll!

Waren das Tausendsassas, Zwenkaus "böse Buben" und "Meisterdiebe"! Eigentlich verdienten sie statt allgemeiner Verachtung sogar Bewunderung! Meinen Sie nicht auch???

Solcherart - geradezu unwahrscheinliche - Geschichten über die "lausigen, mausigen Zwenken" müssen einst in größerer Zahl kursiert haben. Verwunderlich ist das nicht, hatten doch unsere vor 200 Jahren in deutschen Landen lebenden Vorfahren ein Faible für derlei "Erzählungen". So fanden im ausgehenden 18. Jahrhundert die unglaublichen Kriegs-, Jagd- und Reiseanekdoten des Karl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen eine rasante Verbreitung. Der "Lügenbaron" gelangte bald zu einer ungeahnten Popularität. Die Folge war, dass ihm nun auch noch andere abenteuerliche Geschichten zugeschrieben wurden, zunächst von einem aus Kassel geflohenen Bibliothekar anonym in England herausgegeben, dann 1786 von Gottfried August Bürger ins Deutsche übersetzt und um weitere 13 Erzählungen vermehrt.

Wie man sieht:

Lügengeschichten avancierten zu einer Art Volksdichtung, um jemandem etwas anzudichten, kam in Mode!

Dieser Beitrag beruht vollständig auf dem anfangs genannten Zwenkauer Heimatblatt Nr.5, das Sie beim Heimatverein Zwenkau käuflich erwerben können,
siehe hierzu die Publikationen auf dieser Website.
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