Die Rüstung des "roten" KonradMan schreibt das Jahr 955. Der deutsche König Otto I. (später "der Große" genannt) muss sich seit langem der Ungarn erwehren, die immer wieder ins Reich einfallen und ihm gehörig zu schaffen machen.
Im Vasallen (Lehnsmann) Suchawitz (Iat. Cuchavicius) aus Zvenkova im Slawengau Chutizi (Scutici bzw. Schkeuditz) hat Otto einen treuen Gefolgsmann. Der Wendenfürst ist mit seinen Kriegern dabei, als am Laurentiustag (dem 10.August) die Heerscharen auf dem großen Lechfelde bei Augsburg aufeinanderprallen. Sie riskieren (obwohl noch Heiden) für Gott, König und Reich ihr Leben und ... gehören nach blutiger Schlacht zu den Siegern. Dem Heiligen sei Dank!
Eigentlich hat König Otto, der spätere deutsche Kaiser, keine sonderlich guten Karten, denn noch ehe die Schlacht beginnt, scheint sie schon entschieden. Die Ungarn haben nämlich Teile des Reichsheeres umgangen und den Versorgungstross angegriffen. Das sorgt für Panik.
In dieser Situation beweist jedoch einer eiserne Nerven : Herzog Konrad von Lothringen, der "Rote" genannt, Anführer der Franken und ... Eidam (Schwiegersohn) des Königs.
Die Historie vermerkt:
"Tollkühn wirft er sich auf die Feinde, sein Beispiel reißt die andern mit, die siegessicheren Ungarn geraten in die Defensive, werden seIber umzingelt und in die Flucht geschlagen. Doch das Gros des Ungarnheeres hält stand.
Nun liegt alle Verantwortung bei Otto I.. Nach kurzer Ansprache ergreift er die Heilige Lanze und wendet als erster sein Pferd gegen die Magyaren. Deren leichte Reiterei steht angesichts der Angriffswucht der herandonnernden schweren Panzerreiter, die das Beispiel des Roten Konrad beflügelt hat, auf verlorenem Posten. Rot vom Blute färbt sich der Lech.“
Ein entscheidender Sieg ist errungen, wenngleich sehr teuer erkauft. Neben einem großen Teil des Adels ist der eigentliche Sieger gefallen:
"Der Herzog Konrad nämlich, der tapfer gekämpft hatte, empfindet in seinem feurigen Drang und in der Sonnenglut, die an diesem Tag überstark ist, eine unerträgliche Hitze, und als er die Bänder seines Helms löst und Luft schöpft, fällt er, von einem Pfeil durch die Kehle getroffen. Sein Körper wird auf des Königs Befehl aufgebahrt und nach Worms geführt.“
So beschreibt ein Zeitzeuge - der Mönch Widukind von Corvey - die für den weiteren Fortgang der deutschen Geschichte entscheidende Schlacht.
Nun aber kommen wir zu einigen Details bzw. Vorgängen, die durch Widukind nicht überliefert werden und weitgehend unbekannt sind.
Zu Tausenden bedecken sie das Schlachtfeld : Freund und Feind im Tode vereint. Neben einfachen Kriegern finden sich auch Herren von Adel. Ais sich die Dunkelheit über das Schlachtfeld legt, ist der Leichnam des Herzogs von Lothringen von seinen Getreuen noch nicht aufgefunden worden. So müssen diese wohl oder übel den nächsten Morgen abwarten.
Während im Heerlager feuchtfröhlich der Sieg gefeiert wird, stehlen sich unbemerkt einige Noch-Nüchterne davon. (Wie sich später herausstellt, sind sie wahrend der Schlacht kämpfend in des Roten Konrads Nähe gesehen worden, als dieser todwund vom Pferde stürzte.)
Mühevoll bahnen sich die Männer in der Dunkelheit einen Weg über das weite blutgetränkte Feld, stolpern, fallen über Tote und noch stöhnende Schwerverwundete, Tierkadaver, Waffen.
Die prächtige Rüstung des Fürsten muss ein Vermögen wert sein.
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Ins heimatliche Elsteriand zurückgekehrt, belobigt und belohnt der Wendenfürst Suchawitz sein Gefolge für die Waffentaten. Während ausgelassen gefeiert wird, betrachten Kinder und Frauen die "Helden" mit bewundernden Augen und lassen sich deren Erlebnisse haargenau berichten.
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Wochen und Monate vergehen. Eines Tages erscheint auf Burg Zvenkova an der Batzschke ein königlicher Gesandter, dessen Auftrag es ist, den Dank des hohen Herrschers zu übermitteln ... und die Spur von Leichenfledderern zu verfolgen.
(Man höre : Als Herzog Konrad nach langem Suchen endlich auf der Kampfstätte gefunden ward, lag er da in der ... Unterwäsche. Seine kostbare Rüstung aber war verschwunden. König Otto zeigte sich ob des dreisten Raubes aufs höchste ergrimmt und forderte die baldige Ergreifung und Bestrafung der Schuldigen.)
Der gewiefte Bote berichtet, wie er eine Fährte verfolgte, die ihn schließlich ins Slawenland führte. Nun ist er in Zvenkova.
Bei Cuchawitz steigt, als er die Kunde von der verwerflichen Tat vernimmt, sprunghaft der Adrenalinspiegel. Sollte das Diebespack gar unter s e i n e n Mannen zu suchen sein ??
Undenkbar!
Doch da er ein treuer Diener seines hohen Herrn ist, will er nichts unversucht lassen, um sich Klarheit zu verschaffen.
Jeder der Krieger wäscht indes seine Hände in Unschuld. Keiner weiß etwas . Alle verurteilen wortreich den Raub. Indizien lassen sich nicht finden, zu beweisen ist nichts. So stellt der Edelmann - aufatmend - seine Nachforschungen bald wieder ein. (Was er nicht ahnt : Die Rüstung befindet sich ganz in der Nähe - in einem sicheren Waldversteck. )
Als nach längerer Zeit Gras über die Sache gewachsen scheint, beschließt die ungeduldige "Gang" der Stehler und Hehler, die Rüstung heimlich hervorzuholen und - bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit (fern der Heimat, versteht sich) - zu verhökern . Zuvor plagen sie aber schlimme Ahnungen und des Nachts böse Alpträume - Grund genug, recht vorsichtig zu Werke zu gehen !
Nun muss man aber bedenken, dass auch schon damals geklaute Unikate von hohem Wert nur schwer an den Mann zu bringen waren, besonders, wenn sie in den Rang heiliger Reliquien gelangt waren.
So gesehen, kann es nicht verwundern, wenn sich die Burschen schließlich genötigt sehen, alles auf eine Karte zu setzen und auf die gebotene Vorsicht zu pfeifen.
Es kommt, wie es kommen muss :
Sie werden eines Tages mit den "corpus delicti" aufgegriffen und als Diebe dingfest gemacht.
Alle Ausflüchte und alles Leugnen nutzen ihnen nichts. Die Wogen der Empörung in der Öffentlichkeit schlagen hoch, und jedermann erfährt es : Die "Mistkerle" stammen ... aus Zvencova. Bald kennt man die Namen aller Schuldigen.
Wie steht Suchawitz angesichts der dreisten Ganoven und "Nestbeschmutzer" nun vor seinem hohen Herrn da ! Sein Grimm ist so gewaltig, dass im gerichtlichen Schnellverfahren die Übeltater sofort verurteilt und als Entehrte an den erstbesten Bäumen aufgeknüpft werden. Das überzeugt und honoriert Otto dann auch !
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Jahrzehnte gehen ins Land. Nur zögerlich lassen sich am Elsterrand vor der Harth deutsche Siedler nieder. Noch zeigt man gelegentlich mit Fingern auf die Leute von Zvenkova und ihren in Verruf geratenen Ort. Aber die Zeit heilt schlimmere Wunden ! Da kommt es dem Landesherrn - Bischof Thietmar von Merseburg (der zugleich einer der prominentesten Chronisten des Mittelalters ist) - in den Sinn, die alte Story aufzuschreiben und in seiner Chronik zu veröffentlichen.
Bei ihm hört sich das so an :
Nach langer zeit / als der Keyser nach Merseburg kommen / ist ihm von einen Verrether vermeldet worden / wie des Hertzog Conrads Rüstung bey den Wenden zu Zwencka / derer Herr Suchawitz dem Keyser ein trewer vnd lieber Mann war / ligen sollte / vnd von ihnen verhalten wurd.
Hat sie derhalben mit des gemelten herm Suchawitzs hülffe / in einem sonderen streit erleget / vnd alle hengen lassen / vnd die geraubte Rüstung meistentheils wieder bekommen.
Ich kann aber nicht wissen / ob sie ihn erschlagen / vnd ihm die Rüstung abgezogen / oder ohngefehr dieselbe gefunden haben / vnd sie seines tods vnschüldig gewesen sein.
Jedoch weil sie es haben vertuschen / vnd verbergen wollen / sein sie deßwegen billich getödtet / vnd gestraffet worden.(2)
Für Zvenkova (Zuenkouua) aber nimmt nach dem Erscheinen der "Bischofschronik" das Unheil seinen Lauf :
Dem Ort haftet hinfort als "Diebsnest ein unauslöschlicher Makel an, und seine Bewohner sind - Thietmar sei’s „gedankt" - deutschlandweit für alle Zeiten abgestempelt. Zu dieser Zeit sollen nun auch der Ausdruck "mausen" (d.h. stehlen wie die Mäuse) und der Spottname "Mausezwenke" entstanden sein.
So haben einige "schwarze Schafe" vor langer Zeit den Ruf einer insgesamt ehrenwerten Einwohnerschaft dauerhaft ruiniert!